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Als Pflege- oder Dienstleistungsanbieter kommen Sie möglicherweise mit Opfern eines traumatischen sexualisierten Ereignisses in Kontakt. Auf dieser Seite finden Sie Informationen über sexualisierte Gewalt und Ratschläge, wie Sie ein Opfer auf professionelle Weise unterstützen können. 

Sexualisierte Gewalt und Zustimmung

Sexualisierte Gewalt und Zustimmung

Was ist sexualisierte Gewalt? 

Sexualisierte Gewalt umfasst jede Form von unerwünschtem sexuellem Kontakt.

Wenn es zu keinem körperlichen Kontakt zwischen dem Opfer und dem/der Täter:in gekommen ist, kann man von einer Hands-off-Handlung sprechen (z. B. sexuelle Belästigung). Sogenannte Hands-on-Formen der sexualisierten Gewalt sind Handlungen mit Körperkontakt, wie z. B. sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung.

Der Unterschied zwischen den beiden letztgenannten Hands-on-Formen der sexualisierten Gewalt liegt in der sexuellen Penetration:

  • Eine sexuelle Nötigung liegt vor, wenn Sie ohne Zustimmung berührt werden, ohne dass Sie sexuell penetriert werden, oder wenn Sie sexuellen Handlungen ausgesetzt werden, ohne dass Sie selbst daran teilnehmen müssen.
  • Sobald eine Penetration sexueller Natur (mit einem Körperteil wie dem Penis, der Zunge, den Fingern oder einem Gegenstand) in eine Körperöffnung erfolgt, spricht man von Vergewaltigung. 

Jede Form von sexualisierter Gewalt ist schwerwiegend und strafbar. 

Was bedeutet Zustimmung? 

Der Unterschied zwischen erwünschten und unerwünschten sexuellen Kontakten liegt in der Zustimmung. Wenn die Grenzen einer Person überschritten werden oder die Zustimmung fehlt, liegt sexualisierte Gewalt vor. 

Im Jahr 2021 wurde die Einwilligung gesetzlich definiert und als zentraler Begriff in das Sexualstrafrecht aufgenommen. Das Strafgesetzbuch sieht vor, dass:

  • Zustimmung aus freiem Willen erteilt wird;
  • es nicht automatisch einer Zustimmung gleichkommt, wenn das Opfer keinen (körperlichen) Widerstand leistet;
  • die Zustimmung jederzeit vor oder während der sexuellen Handlung widerrufen werden kann;
  • keine Zustimmung vorliegt, wenn die sexuellen Handlungen unter Ausnutzung eines verletzlichen Zustands des Opfers vorgenommen wurden, der den freien Willen beeinträchtigt (z. B. Angstzustände, Alkohol, Betäubungsmittel, psychotrope Substanzen oder andere Substanzen mit ähnlicher Wirkung, eine Krankheit oder eine Behinderung);
  • auch keine Zustimmung erteilt werden kann, wenn die sexuelle Handlung durch Drohung, physische oder psychische Gewalt, Zwang, Überrumpelung, List oder eine andere kriminelle Handlung herbeigeführt wurde;
  • ein bewusstloses oder schlafendes Opfer kann niemals seine Zustimmung erteilen.

Sie sind noch immer unsicher darüber, was eine Zustimmung ist und was nicht? Dann sehen Sie sich dieses Video an. 

(Un-)Sinn über sexualisierte Gewalt

Es gibt viele falsche Vorstellungen über sexualisierte Gewalt. So wird beispielsweise häufig angenommen, dass nur Männer sexualisierte Gewalt ausüben und dass der Täter dem Opfer in der Regel fremd ist.

Die FAQ räumen mit einer Reihe von Mythen auf.

Zahlen

Zahlen zu sexualisierter Gewalt

Prävalenz von sexualisierter Gewalt

Der jüngsten Prävalenzstudie zufolge haben etwa 64 % der belgischen Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 69 Jahren bereits irgendeine Form von sexualisierter Gewalt erlebt.1 Aus der gleichen Umfrage geht hervor, dass zwei von fünf Frauen und einer von fünf Männern mit der sogenannten Hands-on-Form von sexualisierter Gewalt konfrontiert waren, bei der sie körperlich und gegen ihren Willen berührt wurden. 19 % der Frauen und 5 % der Männer gaben sogar an, einmal vergewaltigt worden zu sein.

Bereitschaft zur Anzeigenerstattung und hilfesuchendes Verhalten

Im Jahr 2021 verzeichnete die Polizei 4.321 Fälle von Vergewaltigung.2 Dies entspricht mehr als elf Vergewaltigungen pro Tag in Belgien. 

Dem Veiligheidsmonitor3 zufolge zeigen jedoch nur 25 % der Opfer, die sexualisierte Gewalt im familiären Kontext erfahren, diese Taten an. Bei sexualisierter Gewalt außerhalb des familiären Kontextes liegt der Anteil bei 16 %. Andere Studien, wie die der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte4 und eine Studie des Instituts für die Gleichstellung von Frauen und Männern5, haben ebenfalls gezeigt, dass die Opfer oft nicht über das ihnen Geschehene sprechen oder sich oft nicht trauen, dies zu tun. Die Dunkelziffer der sexualisierten Gewalt ist daher enorm hoch. 

In der oben erwähnten Prävalenzstudie wurde auch das Verhalten bei der Suche nach Hilfe untersucht. Etwa die Hälfte der männlichen und zwei Drittel der weiblichen Teilnehmer:innen, die sich als Opfer bezeichneten, wandten sich an eine:n Bekannte:n, um über die Gewalt zu sprechen. 7 % der Opfer suchten professionelle Hilfe. 


Quellen

  1. Keygnaert I - De Schrijver L - Cismaru Inescu A - Schapansky E - Nobels A - Hahaut B - Stappers C - Debauw Z - Lemonne A - Renard B - Weewauters M - Nisen L - Vander Beken T - Vandeviver C. Understanding the Mechanisms, Nature, Magnitude and Impact of Sexual Violence in Belgium. Final Report. Brüssel: Belgian Science Policy 2021 – 142 p. (BRAIN-be - (Belgian Research Action through Interdisciplinary Networks)).
  2. Föderale Polizei (2022). Polizeiliche Kriminalstatistik Belgien.
  3. Föderale Polizei − DGR − Information der Polizei und IKT (2022).Veiligheidsmonitor 2021.
  4. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2014). Violence against women: an EU-wide survey.
  5. Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2010). Emotional, physical and sexual abuse - the experiences of women and men

Betreuungszentrum nach Sexueller Gewalt

Das Betreuungszentrum nach Sexueller Gewalt: Was und für wen?

Ein Betreuungszentrum ist eine Partnerschaft zwischen drei Hauptpartner:innen: dem Krankenhaus, das das Betreuungszentrum beherbergt, der Polizei und der Staatsanwaltschaft. In einem Betreuungszentrum können sich Opfer von Hands-on-Formen der sexualisierten Gewalt, insbesondere von sexueller Nötigung und Vergewaltigung, rund um die Uhr beraten lassen: 

  • Medizinische Versorgung: Versorgung von Verletzungen und Wunden und Durchführung einer medizinischen Untersuchung, die sich mit den körperlichen, sexuellen und/oder reproduktiven Folgen der sexualisierten Gewalt befasst (einschließlich STD-Screening, Notfallverhütung, Behandlung bei Gefahr einer HIV-Übertragung und vorbeugende oder indizierte Behandlung von Hepatitis A oder B und Tetanus).
  • Forensische Untersuchung: Aufnahme von Verletzungen und Sammlung von Beweisen an Körper oder Kleidung des Opfers.
  • Anzeigenerstattung: In einem Betreuungszentrum kann das Opfer eine Anzeige bei der Polizei erstatten. Im Zweifelsfall werden die gesammelten Beweise für einen vorher vereinbarten Zeitraum aufbewahrt und sie können beschlagnahmt werden, wenn das Opfer später beschließt, Anzeige zu erstatten. 
  • Psychologische Betreuung: Offenes Ohr, Informationen und Beratung zu den normalen Reaktionen nach sexualisierter Gewalt und Tipps zum Umgang damit In einem Betreuungszentrum arbeiten auch klinische Psycholog:innen, die das Opfer und bei Bedarf eine Unterstützungsperson betreuen können. 
  • Nachsorge: Das Opfer wird nach der Anmeldung eine Zeit lang von den Krankenpflegefachkräften des Betreuungszentrums medizinisch und psychologisch betreut. Darüber hinaus wird eine entsprechende Überweisung an geeignete psychosoziale und rechtliche Dienste sichergestellt.

Die medizinische und psychologische Betreuung in einem Betreuungszentrum ist für das Opfer völlig kostenlos. 

Was eine Betreuungsstelle für ein Opfer tun kann, hängt von der Zeit ab, die zwischen der sexualisierten Gewalt und der Anmeldung im Betreuungszentrum verstrichen ist:

  • Liegt der Sachverhalt nicht mehr als sieben Tage zurück? Dann kann sich das Opfer zum Betreuungszentrum kommen, anrufen oder eine E-Mail schicken und es erhält sofort die erforderliche medizinische, forensische und psychologische Betreuung. Auf Wunsch kann eine Anzeige bei der Polizei erstattet werden, und zwar im Betreuungszentrum selbst.
  • Wenn die sexualisierte Gewalt mehr als sieben Tage, aber weniger als einen Monat zurückliegt, wird per E-Mail oder Telefon ein Termin mit dem Betreuungszentrum vereinbart. Zusammen mit einer Krankenpflegefachkraft wird geprüft, was hinsichtlich der medizinischen und psychologischen Betreuung sowie der forensischen Untersuchung noch möglich ist. Zwecks Erstattung einer Anzeige kann über das Betreuungszentrum ein Termin mit der Polizei vereinbart werden.
  • Wenn die sexualisierte Gewalt mehr als einen Monat zurückliegt, kann telefonisch oder per E-Mail ein Termin mit dem Betreuungszentrum vereinbart werden. Bei diesem Termin wird der Bedarf an medizinischer und psychologischer Betreuung ermittelt, sodass eine gezielte Überweisung an die bestehenden Hilfs- und Betreuungsdienste außerhalb des Betreuungszentrums erfolgen kann. Zwecks Erstattung einer Anzeige kann über das Betreuungszentrum ein Termin mit der Polizei vereinbart werden.

Auf der Seite Über die Betreuungszentren finden Sie weitere Informationen über die Entstehung der Betreuungszentren und Sie können das ZSG-Modell und die offenen Stellen einsehen. 

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